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Bericht zur Konferenz: Bekämpfung von Energiearmut in Österreich

Die krisengeprägte Entwicklung der letzten Jahre – Pandemie, Energiekrise und hohe Inflation – stellt insbesondere vulnerable Bevölkerungsgruppen vor große Herausforderungen. In der Konferenz diskutierten wir über Maßnahmen zur Förderung erneuerbarer Energien als auch zur Bekämpfung von Energiearmut und welche Rolle Energiegemeinschaften hier einnehmen können. Franz Angerer, Geschäftsführer der Österreichischen Energieagentur, machte mit seinem Vortrag den Auftakt: Als ehemaliger Leiter der Abteilung Umwelt- und Energiewirtschaft in der Niederösterreichischen Landesregierung erzählte er von Bemühungen der NÖ-Energieberatung, mehr einkommensschwache Haushalte zu erreichen. Der Erfolg setzte mit der Zusammenarbeit mit einer Sozialeinrichtung ein.

Energiearmut – ein multidimensionales Problem

Der Zugang zu sauberer und leistbarer Energie ist eine Grundvoraussetzung im tagtäglichen Leben. Der morgendliche Griff zur Kaffeemaschine und die anschließende heiße Dusche ist für viele eine Selbstverständlichkeit. Für die 17 Prozent der österreichischen Bevölkerung, die armuts- oder ausgrenzungsgefährdet sind, kann jedoch schon das finanziell zur Herausforderung werden, so Sandra Matzinger, Referentin in der Abteilung Wirtschaftspolitik der Arbeiterkammer Wien.

Wenn Energie fehlt, ist die Partizipation am modernen gesellschaftlichen Leben kaum möglich. Armutsgefährdete Haushalte leben häufig in Wohnungen mit schlechter thermischer Qualität (bzw. hohem Heizwärmebedarf) und sind mit ineffizienten Geräten ausgestattet. Neben kurzfristigen Lösungen brauche es strukturelle Veränderungen – welche wiederum eine umfassende Datenlage zu Energiearmut voraussetzen.

Um Energiearmut bekämpfen zu können, ist es – ganz nach dem Motto „Wissen ist Macht“ – notwendig, Menschen Energiewissen zu vermitteln. Kerstin Schilcher von der Österreichischen Energieagentur leitet das Projekt ENPOR, in dessen Rahmen ihr Team gemeinsam mit der UMWELTBERATUNG Informationsmaterialien entwickelte, die mit wenigen Worten und klarer Bildsprache Wissenswertes zum Thema Energie im eigenen Haushalt erklären. Auch die Soziale Energieberatung für Sozialarbeiter:innen wurde von klimaaktiv ins Leben gerufen, um dieses Wissen praxisnah zu vermitteln.

Exkurs in den Beratungsalltag

Eva Lems leitet das Büro für Energie- und Umweltfragen und führt Energieberatungen für armutsbetroffene Haushalte durch. Sie nahm das Publikum auf eine kleine Reise in den Beratungsalltag mit: Die Energieberaterin besucht eine Familie mit fünf Kindern, die mit hohen Energierechnungen zu kämpfen hat. Um die Ursachen für den hohen Energieverbrauch zu finden, spricht die Beraterin mit der Familie über ihre Gewohnheiten. Im Beispiel baden alle Kinder mehrmals die Woche. Gemeinsam mit den Kindern wird beschlossen, vom täglichen Bad auf die Dusche und damit eine wesentlich energieeffizientere Option zu wechseln. Zugleich zeigt eine Sanduhr spielerisch an, wie viele Minuten geduscht werden soll. Der Warmwasserverbrauch und damit die Energiekosten für die Familie können so deutlich reduziert werden.

Wissen über die eigenen Energierechnungen und wie man den Verbrauch steuert, macht Haushalte selbstbestimmt. Das monatliche Energiebuchhalten über die Daten der Strom- und Gaszähler empfiehlt Eva Lems allen Haushalten. Auch das Einbinden von vor allem größeren Kindern ist hilfreich, denn so steigt die Akzeptanz für Maßnahmen.

Energiegemeinschaften als Lösungsansatz

Energiegemeinschaften sind eine Möglichkeit, um von Energiearmut betroffene Haushalte zu unterstützen, etwa durch sozial gestaffelte Tarife.

Eva Dvorak, Leiterin der Koordinationsstelle für Energiegemeinschaften im Klima- und Energiefonds, berichtete, dass von etwa 600 befragten Gemeinden zwei Drittel die Bekämpfung von Energiearmut als Motivation nannten, um eine Energiegemeinschaft zu gründen. Einige solidarische Energiegemeinschaften hätten sich bereits in Österreich gebildet, fünf dieser innovativen Projekte stellte sie vor.

Mitglieder finden

„So vielfältig wie Menschen sind, so vielfältig sind auch die Argumente, warum jemand an einer Energiegemeinschaft teilnehmen sollte“, so Angela Holzmann, Leiterin des Projektes SHAREs in der Österreichischen Energieagentur. Aus diesem Grund wurden innerhalb des Projekts vierzehn Zielgruppen identifiziert sowie kurze, prägnante Anleitungen, mit denen sie erreicht werden können. Die Botschaften sind dabei jeweils an die Zielgruppe angepasst – so kann etwa einmal der finanzielle Vorteil und ein anderes Mal die Nutzung grüner Energie im Fokus stehen.

Einkommensschwache Haushalte sind in dieser Hinsicht eine besondere Herausforderung, denn neben geringen finanziellen Ressourcen verfügen sie oft über sehr eingeschränkte Zeit, sich mit dem Thema Energiegemeinschaft überhaupt auseinanderzusetzen. Aus diesem Grund braucht es möglichst niederschwellige Formate, um armutsgefährdete Personen die Teilnahme an Energiegemeinschaften zu ermöglichen. Professionell gestaltetes Informationsmaterial, wie beispielsweise Flyer oder Einladungen zu Events finden Gründer von Energiegemeinschaften auf der Informationsplattform https://energie-teilen.at/.

Berichte aus der Praxis der solidarischen Energiegemeinschaft

Danach trat mit Christian Hummelbrunner ein Pionier in Sachen solidarische Energiegemeinschaft auf die Bühne. Der Manager der Klima-und Energiemodellregion Traunstein, berichtete aus der Praxis, dass auf dem Weg zur solidarischen Energiegemeinschaft noch einige offene Frage zu klären sowie einige Hürden zu überwinden seien: So wird aktuell über eine Deckelung der Energiemenge, die zu einem Sozialtarif bezogen werden kann, diskutiert bzw. bei welcher Höhe diese Deckelung liegen könnte. Auch die Höhe des Tarifs selbst lässt einigen Diskussionsspielraum offen. Hummelbrunner wies auch darauf hin, dass in der Kommunikation sehr sorgfältig vorgegangen werden müsse. Einerseits wolle man keine Neiddebatte auslösen, andererseits müssen Haushalte ausführlich über realistische Möglichkeiten informiert werden, etwa was das Ausschöpfen von Kontingenten zum Sozialtarif betrifft.

Austausch im Panel mit Expert:innen-Runde

Moderatorin Hemma Bieser, Vorständin der OurPower Energiegenossenschaft und Projektpartnerin im SHARES-Projekt, hieß zum Panel bisherige Sprecher:innen willkommen sowie Caroline Nwafor, Programm-Managerin beim Klima- und Energiefonds mit dem Schwerpunkt Energiearmut, und Imre Siska, Leiter der Individuellen Spontanhilfe vom Österreichischen Roten Kreuz.

Caroline Nwafor pocht vor allem auf strukturelle Veränderungen, um nachhaltig Probleme zu lösen. Parallel dazu seien kurzfristige, niederschwellige Maßnahmen wie etwa Energiespar-Tipps oder Gerätetausch sinnvoll.

Imre Siska sucht als Leiter der individuellen Spontanhilfe des Roten Kreuzes nach maßgeschneiderten Lösungen in existenzbedrohenden Lebenssituationen, wie Delogierungen, die etwa durch Rückstände bei Mieten und Energierechnungen drohen. Er betont auch den wichtigen Austausch zwischen Sozialarbeitern und Energieversorgungsunternehmen – einerseits müsste im Sozialbereich Energiewissen vermittelt und im Energiebereich beispielsweise Ombudsstellen für Armutsbetroffene aufgebaut werden.

Zusammenfassung und Ausblick

Das gesamte Event wurde von Camilo Melgar visuell durch Zeichnungen protokolliert. Die Kernaussagen wurden durch das Graphic Recording veranschaulicht und von Camilo Melgar zum Abschluss des Events zusammengefasst.

Einig sind sich die Experten und Expertinnen, dass Energiearmut ein komplexes Querschnittsthema ist, das eine Vielzahl an Stakeholdern involviert. Außerdem reicht die Datenlage zu Energiearmut in Österreich aktuell noch nicht aus und muss verbessert werden, um konkrete Lösungsansätze maßgeschneidert und effektiver gestalten zu können. Mit dem Modell der Energiegemeinschaften haben Gemeinden und Bürger:innen aber ein Werkzeug in der Hand, mit dem neben der eigenen Versorgung mit erneuerbarer Energie auch armutsbetroffene Mitbürger:innen unterstützt werden können. Solidarische Energiegemeinschaften haben sich als innovativer Ansatz mit einem hohen Potenzial gezeigt, der jetzt in die Praxis überführt werden muss.